Recht

Im Folgenden soll die rechtliche Grundlage für Einrichtung, Betrieb und Nutzung von Toiletten betrachtet werden. Hierbei kommen unterschiedliche Gesetze und Verordnungen auf Ebene des Bundes, der Länder und Kommunen in Betracht, denn ein >Toiletten-Gesetz< gibt es nicht. Rechte und Pflichten verteilen sich vielmehr auf unterschiedliche Rechtstexte, über die im Folgenden ein Überblick gegeben werden soll. Dabei wird zuerst ein Recht auf die Verrichtung der Notdurft diskutiert. Anschließend werden die wichtigsten Rechtsgrundlagen vorgestellt. Zuletzt wird ein Blick auf die Rechtsprechung geworfen.

Notdurft

Jede:r kennt das unangenehme Gefühl, wenn man einmal dringend muss. Einhalten kann man eine Weile, aber irgendwann muss man sich schließlich doch erleichtern. Denn der menschlichen Selbstkontrolle sind enge Grenzen gesetzt. Der freieste Wille nützt wenig, wenn man dringend muss: Jeder Mensch muss müssen. Das war schon Büchner bewusst. In seinem Stück >Woyzeck< bringt er pointiert die Grenzen menschlicher Selbstbeherrschung zum Ausdruck. Man ist nicht frei zu müssen. Man entscheidet sich nicht dazu, zu müssen. Weder kann man auf Kommando >pissen< noch lässt sich der Drang zu >pissen< ewig zurückhalten.

„DOCTOR: […] Woyzeck muß Er nicht wieder pissen? Geh‘ Er eimal hinein und probir Er’s.

WOYZECK: Ich kann nit Herr Doctor.

DOCTOR mit Affect: Aber an die Wand pissen! Ich hab’s schriftlich, den Akkord in der Hand. Ich hab’s gesehn, mit dießen Augen gesehn, ich steckt grade die Nase zum Fenster hinaus und ließ die Sonnstrahlen hineinfallen, um das Niesen zu beobachten (Büchner: Woyzeck, Szene 8).“

Schafft die Not ihr Recht? Gibt es ein Notrecht, sich Erleichterung zu verschaffen, wenn es einmal nicht mehr anders geht? NEIN! Es gibt kein Recht auf Verrichtung der Notdurft. Wild-Pinkeln ist verboten und wird geahndet. Hierfür gibt es unterschiedliche Grundlagen. In seltenen Fällen kann Wild-Pinkeln sogar als Erregung öffentlichen Ärgernisses (§183a StGB) strafbar sein. Denn wer sich in der Öffentlichkeit entblößt, um sich zu erleichtern, muss damit rechnen, dass andere hieran Anstoß nehmen. In der Regel stellt Wild-Pinkeln aber bloß eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld geahndet werden kann. Darüber entscheiden der Gemeindevorstand als sachlich zuständige Behörde, gemäß § 36 Abs. 2 S.1, Abs. 1 Nr. 2a OWiG iVm § 1 Abs. 1 Nr. 2 HessOWiZustVO-MdlS. Es liegt also in seinem Ermessen ob ein Bußgeld verhängt wird und wie hoch dieses ausfällt.

Gesetzliche Grundlagen

Die wichtigsten Bestimmungen über die Einrichtung von Toiletten finden sich in den Bauordnungen der Länder. Hier wird geregelt, wo und wie Toiletten einzurichten sind. Dabei betreffen die Bauordnungen nicht allein öffentliche Toiletten. Die Hessische Bauordnung bspw. enthält auch Bestimmungen über die Einrichtung von Toiletten in privatem Wohnraum (§51 HBO) und Gaststätten (§46 HBO). Darüber hinaus werden hier besondere Anforderungen an barrierefreie Toiletten geregelt (§54 HBO).

In manchen Bundesländern enthalten die Gaststättenverordnungen nähere Bestimmungen zur Nutzung der Toiletten in Gaststätten. Die Gaststättenverordnung des Landes Rheinland-Pfalz schreibt beispielsweise ein unentgeltliches Toiletten-Angebot für Gäste vor. Im §7 Abs. 4 der GastVO heißt es: „Die nach den Absätzen 1 und 2 notwendigen Toilettenräume dürfen nicht durch Münzautomaten oder ähnliche Einrichtungen versperrt sein und für deren Nutzung durch Gäste darf ein Entgelt nicht erhoben werden.“

Strikt hiervon zu trennen sind hingegen Autobahnraststätten. Die Toiletten auf Autobahnraststätten sollen allen Autofahrer:innen zugänglich sein, auch wenn diese nicht Gäste der dortigen Gastronomie sind. Ein Nutzungsentgelt soll hier zum Erhalt der Toiletten beitragen (für Näheres s. Rechtsprechung).

Eine bundesweite Regelung über die verbindliche Einrichtung von Toiletten an Bahnhöfen gibt es nicht. Denn es obliegt den Bundesländern hierüber in ihren Bauordnungen zu entscheiden. Die HBO enthält keine Regelung, die die Einrichtung von Toiletten in Bahnanlagen vorschreibt. Darüber hinaus besteht ebenfalls kein Recht der Fahrgäste auf eine funktionierende Toilette in Zügen. Die Klage einer Bahnfahrerin auf Schmerzensgeld wurde vom Landesgericht Trier mit der Begründung zurückgewiesen, man könne notfalls den Zug verlassen, wenn der Harndrang unerträglich wird (1 S 131/15, vom 19.02.2016).

Die Einrichtung von Toiletten am Arbeitsplatz hingegen ist in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV, insbesondere §3a und §9) geregelt, d.h. auf Bundesebene. Im Anhang der ArbStättV werden detailliert Anforderungen formuliert, denen Toiletten genügen müssen. Z.B. müssen getrennte, abschließbare Toilettenräume in ausreichender Anzahl für Männer und Frauen eingerichtet sein. Wenn es die Art der Tätigkeit oder gesundheitliche Voraussetzungen der Arbeiter:innen erfordern, sind zudem Duschen und Umkleiden einzurichten.

Die Einrichtung öffentlicher Toiletten ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Der Auftrag zur öffentlichen Daseinsvorsorge ergibt sich aus dem Sozialstaatsprinzip, wie es in Art. 20 Abs. 1 GG formuliert wird. Allerdings schreibt das Grundgesetz keinesfalls vor, wie genau dieser Auftrag zu erfüllen ist. Vielmehr ergibt sich aus dem Prinzip kommunaler Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) hierbei ein umfassender Gestaltungsspielraum. Insbesondere sind die Kommunen berechtigt Infrastrukturleistungen zu privatisieren. Zudem darf ein Nutzungsentgelt für die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge erhoben werden. Der Staat muss die Daseinsvorsorge gewährleisten. Aber er muss die Daseinsvorsorge nicht unentgeltlich gewährleisten! Vgl. hierzu das Urteil 4 C 1/93 des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. März 1994. Die Gestaltung öffentlicher Daseinsvorsorge wird durch die Gemeindeordnungen der Länder näher bestimmt. In der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) bspw. regelt §19 die Bereitstellung notwendiger öffentlicher Einrichtungen. Der §20 Abs. 1 regelt die allgemeine Berechtigung zur Nutzung öffentlicher Einrichtungen und verpflichtet zugleich die Gemeindemitglieder die daraus entstehenden Gemeindelasten zu tragen.

Zusammenfassung

Gesetzliche Regelungen zu Toiletten sind Ländersache. Die wichtigsten Bestimmungen sind in den Bauordnungen der Länder enthalten. Hier werden bauliche Anforderungen an Toiletten bestimmt und festgelegt, wo Toiletten einzurichten sind. Während insbesondere Gaststätten mit Alkoholausschank zur Einrichtung von Toiletten verpflichtet sind (§46 HBO), gibt es keine entsprechende Verpflichtung für Bahnen und Bahnhöfe.

Gaststätten: Pflicht zur Einrichtung von Toiletten für Gäste (§46 HBO). Keine Verpflichtung zur kostenfreien Bereitstellung in Hessen, wie bspw. in Rheinland-Pfalz (§7 Abs. 4 GastVO).

Bahn(höfe): Keine Pflicht zur Einrichtung von Toiletten in Bahnen oder Bahnhöfen. Kein Recht auf Schmerzensgeld im Falle defekter Toiletten (Landgericht Trier, 1 S 131/15).

Autobahn-Raststätten: Pflicht zur Einrichtung von Toiletten für Alle, nicht nur Gäste. Kein Recht auf unentgeltliche Nutzung. Gebühren sollen zum Erhalt der Toiletten beitragen.

Arbeitsplatz: Pflicht zur unentgeltliche Einrichtung von Toiletten für Arbeiter:innen. Bundesweite Regelung durch ArbStättV (insbesondere §3a, §9 und Anhang).

Öffentliche Toiletten: Pflicht zur Einrichtung öffentlicher Toiletten für Alle im Rahmen öffentlicher Daseinsvorsorge. Allerdings besteht kein Recht auf unentgeltliche Nutzung. Nähere Regelung durch Gemeindeordnung (HGO §19+20).

Rechtsprechung: Unentgeltliche öffentliche Toiletten?

Ein blasenschwacher Mann klagte 2017 vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (15 K 6244/17) gegen die Stadt Essen auf kostenfreie Nutzung öffentlicher Toiletten, Einrichtung weiterer öffentlicher Toiletten und übergangsweises Aufstellen mobiler Toiletten (sog. DIXI-Klos). Das Gericht wies seine Klage ab. Auch die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht NRW, beurteilte die Klage als zulässig, aber unbegründet (15 E 830/17). Das Gericht begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Der Staat muss individuell zurechenbare Leistungen der Daseinsvorsorge nicht unentgeltlich erbringen (vgl. Urteil 4 C 1/93 des BVerwG vom 3. März 1994).

Die Gemeindeordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (§ 8 Abs. 1+2) regelt nur das Recht auf Benutzung vorhandener Anlagen. Hieraus entsteht aber kein Recht auf Schaffung neuer Anlagen.

Aus dem Grundrecht auf Wahrung der Menschenwürde (Art.1 Abs.1 GG), dem Grundrecht auf Achtung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit (Art 11 Abs. 2 Satz 1 GG) oder dem Grundrecht auf Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) folgt kein subjektiver Anspruch auf Errichtung öffentlicher Toilettenanlagen.

„Ungeachtet der Frage, ob die Schutzbereiche der vorgenannten Grundrechte in der vorliegenden Fallgestaltung überhaupt berührt sind, sind die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Nur ausnahmsweise lässt sich ihnen ein Leistungsanspruch entnehmen (OVerwG 15 E 831/17, Ziffer 21).“

Rechtsprechung: Unentgeltliche Toiletten in Autobahn-Raststätten?

Ein Autofahrer klagte 2017 vor dem Verwaltungsgericht Koblenz gegen das Land Rheinland-Pfalz auf Durchsetzung einer kostenfreien Nutzung der Toiletten der Autobahn Tank & Rast GmbH (Tochterfirma Sanifair GmbH), die beigeladen war.

Die Autobahn Tank & Rast GmbH war einstmals bundeseigene Aktiengesellschaft gewesen. 1998 verkaufte aber der Bund seine Aktienanteile zu 100% an private Unternehmer. Zu diesem Zweck wurde am 29.10.1998 ein Rahmenvertrag zwischen Bund und Autobahn Tank & Rast AG abgeschlossen, der in § 5 Abs. 2 die AG dazu verpflichtet, sich um unentgeltliche Benutzung der sanitären Einrichtungen ganzjährig durchgehend (24 Stunden) zu bemühen. Dieser Rahmenvertrag wurde zum 31.12.2013 gekündigt. Im Rahmen des §15 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) wurde ein Konzessionsvertrag zwischen der Autobahn Tank & Rast GmbH und der Bundesrepublik Deutschland vereinbart.

Sowohl das Verwaltungsgericht Koblenz (5 K 1284/16.KO) als auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1 A 10022/18) beurteilten die Klage als unzulässig und unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht begründete seine Entscheidung folgendermaßen:

Das Land Rheinland-Pfalz ist nicht befugt die unentgeltliche Nutzung der Toiletten durch Eingriffsverwaltung gegen die Autobahn Tank & Rast GmbH durchzusetzen. Denn sowohl das FStrG also auch der Konzessionsvertrag mit der Autobahn Tank & Rast GmbH sind Sache des Bundes.

Der Staat muss individuell zurechenbare Leistungen der Daseinsvorsorge nicht unentgeltlich erbringen (vgl. Urteil 4 C 1/93 des BVerwG vom 3. März 1994 und Urteil 15 E 830/17 des OVerwG NRW).

Überträgt der Staat Teilleistungen der Daseinsvorsorge Privatunternehmen, sind diese gleichermaßen nicht zur unentgeltlichen Erbringung der Leistungen verpflichtet. 

Der Raststätten-Betreiber ist laut Konzessionsvertrag verpflichtet sanitäre Einrichtungen täglich 24 Stunden allen Verkehrsteilnehmern zur Verfügung zu stellen. Dadurch unterscheidet er sich grundsätzlich von Gaststätten, die Toiletten nur ihren Gästen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen haben (§7 Abs.4 GastVO). Nutzungsentgelt zu erheben, um die Toiletten in Stand zu halten, ist daher notwendig und erlaubt.

Das Verwaltungsgericht Koblenz führte letzteren Punkt in seinem Urteil sehr gründlich aus: „§ 7 Abs. 4 GastVO schützt insoweit von vornherein nur die Gäste der entsprechenden Gastronomiebetriebe, so dass der Kläger sich auf den dieser Regelung zugrunde liegenden Rechtsgedanken, demzufolge die Toilettenbenutzung nur für Gäste dieser Betriebe kostenlos sein soll, nur berufen könnte, wenn er Gast der jeweiligen Gastronomiebetriebe der Beigeladenen wäre. Aber selbst für diesen Fall sind keine zwingenden Gründe erkennbar, die den Beklagten nötigen, dem Kläger die kostenlose Nutzung der Sanifair-Toiletten der Beigeladenen zu gewährleisten. Wie bereits dargelegt, kann im Einzelfall aus zwingenden Belangen des Betriebs eine Abweichung von sachfremdem Recht zulässig sein. Um einen solchen Fall handelt es sich hier. Ausgangspunkt der dazu anzustellenden rechtlichen Überlegungen ist der Umstand, dass die Beigeladene gemäß § 14 Abs. 2 KV verpflichtet ist, allen Verkehrsteilnehmern sanitäre Einrichtungen 24 Stunden zur Verfügung zu stellen. Damit unterscheidet sich die hier bestehende Situation signifikant von der eines regulären Gastronomiebetriebs, der regelmäßig von vornherein nur Toilettenanlagen für seine Gäste vorzuhalten hat. Dies gilt insbesondere angesichts der bislang unbestritten gebliebenen Angabe der Beigeladenen, nach einer Studie seien 80 % der Toilettenbesucher an Tank- und Raststätten keine Gäste der Gastronomiebetriebe. Demgegenüber werden die Toiletten regulärer Gastronomiebetriebe nur ausnahmsweise von Nichtgästen benutzt, wofür diese oftmals auch ein Entgelt zahlen müssen. Angesichts dieser Größenverhältnisse und mit Blick auf die erheblichen Personal- und Sachkosten, die der Betrieb der in Rede stehenden Toilettenanlagen mit sich bringt, erscheint es aus zwingenden Belangen des Betriebs vertretbar, generell ein – angemessenes – Entgelt für die Toilettenbenutzung in den Nebenbetrieben der Autobahnen zu verlangen. Damit kann gewährleistet werden, dass die auf den Nebenbetrieben der Autobahnen befindlichen sanitären Einrichtungen sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden. Gerade mit Blick auf die starke Frequentierung dieser Toiletteneinrichtungen besteht nicht zuletzt ein öffentliches Interesse an der Einhaltung gewisser Hygienestandards, was unter anderem auch der Eindämmung und Vermeidung von Gesundheitsgefahren dient (5 K 1284/16.KO, Ziffer 39).“

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